7. Kapitel: ASTROLOGIE IM CHRISTENTUM

Blüte 1450-1650

 

Trotz der Verfolgung der Astrologie durch das Alte Testament aus den genannten Gründen  und die Verurteilung, wie sie die römisch-katholische Kirche seit dem 4. Jh. durchzieht, haben sich weiterhin viele Menschen aus dem christlichen Kulturkreis mit dem Wissen beschäftigt. Sogar innerhalb der Kirche fand die Astrologie kontinuierlich Anwendung.

Besonders erwähnenswert sei Isidor von Sevilla, der Bischof von Sevilla (um 570 – 636). Er verfasste Schriften über die Astrologie. In diesen unterschied er zwischen einer Deutenden Astrologie (astrologia superstitiosa) und einer Praktischen Astrologie (astrologia naturalis). Nach seiner Auffassung sei die „astrologia superstitiosa“, das Erstellen von Horoskopen Aberglauben, der durch die Geburt Jesu hinfällig sei. Allerdings erläuterte Isidor auch die Bedeutung des Sterns von Bethlehem als eine astrologische (Be-)Deutung und sagte damit indirekt aus, dass diese Astrologie zwar funktioniert, aber eben unter christlicher Gesinnung nicht rechtens ist. Mit der „astrologis naturalis“ beschrieb Isidor eine Astrologie in der Anwendung vor allem im Bereich Medizin und Meteorologie. Er war der Meinung, dass ein jeder guter Arzt eine astrologische Ausbildung brauche. In diesem Sinne fand die Astrologie auch im Rahmen des christlichen Glaubens wieder eine Nische der Existenz und Akzeptanz und war an allen europäischen Universitäten als solche Wissenschaft bis nach Galileis Zeiten vertreten. Die Bedeutung der Astrologie für die Medizin bestand also bis in die Renaissance.

In den christlichen Klöstern wurde während des Mittelalters stark an Kalendarien und an der Zeitmessung gearbeitet. Es wurden Computus, Kalenderrechensysteme entwickelt, welche nebenher eine landwirtschaftliche, astronomische, aber auch astrologische Deutungen beinhalteten.

Ein Beispiel hierfür ist der Langheimer Cisterzienser-Abt Mauritius Knauer. Der ursprünglich „Immerwährende Hauskalender“ oder auch bekannt als „Hundertjähriger Kalender“ benannte Text ist zu einem guten Teil kein originales Gedankengut von Abt Knauer. Ähnliche Kalender, Praktiken, existieren schon lange, und Knauer (gestorben 1664, nach vielen Abschriften 1721 erste Ausgabe des H. Kalenders) hat solche Vorlagen ausgiebig benützt. Neben der Theologie hat er sich auch astronomischen und naturwissenschaftlichen Studien gewidmet, was seine Bobachtungsgabe schärfte und er hauptsächlich für Wetterbeobachtungen nutzte. Er kam zum Schluss, dass sich das Wetter alle sieben Jahre in etwa wiederholte. Auf diesen Sieben-Jahres-Zyklus baute Knauer seinen Kalender auf. Als Kind seiner Zeit vertrat Knauer auch astrologische Vorstellungen, glaubte an das Regiment der 7 bekannten Planeten einschließlich von Sonne und Mond. Diese Regentschaft über alle irdischen Dinge, auch über das Wetter, sollte nach einer festen Ordnung alljährlich von einem Planeten (Jahresregent) auf den anderen übergehen. Diese Ordnung beruht auf der Chaldäischen Reihe, in welcher die Planeten hierarchisch nach ihrer Geschwindigkeit geordnet und mit Saturn beginnend notiert werden. So ordnete Knauer jedes der sieben Jahre einem Planeten zu und gab dem meteorologischen Geschehen damit eine astrologische Grundlage. Das entsprach, wie gesagt, durchaus den Gepflogenheiten der Zeit, in der Astronomie und Astrologie noch eine einzige Wissenschaft, vor allem auf diesen Gebieten, bildeten.

Aber auch auf psychologisch beratender Ebene fand die Astrologie weiter  Anwendung, trotz offizieller Ablehnung. Berühmte christliche Herrscher bemühten selbst ihre persönlichen astrologischen Berater, so auch Karl der Große (747 – 814), Ludwig der Fromme (778 – 840), Heinrich II (1014 – 1024), und der Staufenkaiser Friedrich der II (1194 – 1250).

Aber auch manche Päpste höchstpersönlich studierten die Astrologie oder hatten astrologische Berater zur Seite. So war der Papst und Astrologe Silvester II (Gerbert von Aurillac, ca. 940 – 1003) sehr interessiert an dem Austausch zwischen griechisch-arabischer Wissenschaft und christlicher Kultur. In der Zeit der Kreuzzüge verstärkte sich allgemein das Interesse am Wissen der Völker im Osten, den Muslimen und Juden. So gab es „Sammelstellen“ für östliche Literatur und Wissen, welches entsprechend in die europäischen Landessprachen übersetzt wurde. Interessant ist dabei, dass vor allem die mathematischen und astrologischen Texte als erste von allen übersetzt wurden. Beispielsweise von Claudius Ptolemäus die Standartwerke der Mathematik „Almagest“ und der Astronomie wie Astrologie „Tetrabiblos“.

Eines dieser Zentren gesammelten Wissens war Chartres, wo der Theologe Peter Abaelard (um 1100 – 1140) wirkte. Einige bekannte mittelalterliche Philosophen haben sich mit der Astrologie beschäftigt. So der „Kirchenphilosoph“ Thomas von Aquin (1125 – 1274), welcher astrologische Deutung als vernünftig, klug und verdienstvoll beschreibt und Roger Bacon (1214 – 1294), welcher eine „Gesunde Astrologie“ förderte und von der Kirche eine Förderung dieser Astrologie, die auf Erfahrung und Experiment beruht, einforderte.

Aus christlich astrologischem Verständnis hat die Kirche immer mit Recht betont, dass eine Astrologie, die „ängstlich auf Tage, Monate, bestimmte Zeiten und Jahre“ (Gal 4,10) achtet, mit dem christlichen Glauben unvereinbar ist. Christliche Astrologie beruht nicht auf dem vagen Gefühl des Menschen, in eine kosmische All-Einheit verwoben zu sein. Christliche Astrologie gründet in kosmischer Chistologie.

In den zwei Jahrhunderten von 1450 bis 1650 erlebte die Astrologie die höchste Blüte ihrer Geschichte. Sie galt als die Königin der Wissenschaften, in der jeder gebildete Mensch selbstverständlich bewandert sein musste. Astrologen hatten einen bedeutenden Anteil am öffentlichen Leben, an der Politik, an Kunst und Kultur. Aber auch für die Heilkunde spielte die Sternkunde eine so bedeutende Rolle, dass Paracelsus (vermutlich geboren 1493 in Egg, Kanton Schwyz bis 24.09.1541 in Salzburg, war Arzt, Astrologe, Mystiker, Laientheologe und Philosoph) forderte, jeder Arzt müsse mit dieser Wissenschaft vertraut sein. Zwar gab es auch namhafte Gegner, die das gesamte Lehrgebäude der Astrologie als zweifelhaft und unbewiesen kritisierten, aber die dominante Geistesströmung dieser Zeit war vom astrologischen Weltbild geprägt und das bewirkte einen ungeheuren Zuwachs an astronomischen Erkenntnissen, sowie an astrologischem Wissen und Techniken. Zahlreiche Päpste dieser Zeit schätzten und förderten die Astrologie und ließen sich wie Papst Sixtus IV. (1414-1484) von Hofastrologen beraten. Der Medici Papst Leo X (1475-1521), dem ein Astrologe in seinem vierzehnten Lebensjahr vorausgesagt hatte, dass er einst Papst werden würde, richtete im Jahre 1520 an der von ihm gegründeten römischen Universität einen Lehrstuhl für Astrologie ein.

Die berühmten Fresken Raffaels in den Stanzen (päpstliche Gemächer) und jene Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle zeugen von „der Versöhnung“ der „alten Welt“ und ihrer Philosophen mit der „neuen Welt“ im Sinne des Christentums:

 Fesken von Raffael in den Stanzen vom Vatikan, aufgenommen von Astrid Aichner

 

   

Fresken von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle, aufgenommen von Astrid Aichner

 

Die Stanzen des Raffael (auch Raffael da Urbino, Raffaello Santi, Raffaello Sanzio oder Raphael, geboren 06.04. oder 28.03. in Urbino bis 06.04.1520) sind Gemächer im Apostolischen Palast, die von Raffael und seiner Schule ausgemalt wurden. Ursprünglich von Julius II. (1443-1513) ab 1508 für seine Gemächer im zweiten Stock des Vatikanpalast in Auftrag gegeben, wurden die Fresken von Raffael und seinen Mitarbeitern unter dem Patronat des Papst Leo X. (1513-1521) bis 1524 weitergeführt.

So entstanden zwischen 1509 und 1517 seine berühmtesten Werke, begonnen mit dem Sitzungszimmer Stanze della Segnatura mit der berühmten Schule von Athen, einer Darstellung der philosophischen Wissenschaften. Das Zentrum bilden Platon und Aristoteles, um die sich die anderen Philosophen wie Pythagoras, Heraklit, Sokrates oder Diogenes gruppieren. Aber auch der keinesfalls papstfreundliche Dante, zudem noch dargestellt als Theologe, und der ein Jahrzehnt zuvor in Florenz hingerichtete Girolamo Savonarola fanden Aufnahme in das Fresco. Gegenüber befindet sich das Fesko mit christlich mythologischen Figuren und Repräsentanten der Kirche – sozusagen im versöhnlich fortgesetzten Sinne der „alten und neuen Welt“. Ein weiteres Fresko ist der Parnass, in dessen Mitte Apollo mit einem Streichinstrument thront, umgeben von den neun Musen und Dichtern der Antike wie Homer, Vergil und Ovid. Während seiner Arbeiten im Vatikan lernte Raffael Michelangelo Buonarotti (vollständiger Name Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni, 06.03.1475 in Caprese, Toskana geboren, bis 18.02.1564 in Rom) kennen, der zu dieser Zeit mit der Ausschmückung der Sixtinischen Kapelle befasst war. Auch der Stil Michelangelos beeinflusste Raffaels Arbeiten seit dieser Zeit.

Die Sixtinische Kapelle im Vatikan enthält mehrere der berühmtesten Gemälde der Welt. Die Kapelle ist auch der Ort, an dem das Konklave abgehalten wird. Besondere Berühmtheit erlangte die Kapelle durch die Ausschmückung mit Fresken. Die Deckenmalereien malte Michelangelo zwischen 1508 und 1512 im Auftrag von Papst Julius II. Sie wurden am 01.11.1512 enthüllt und zeigen Szenen aus der Genesis. Besonders die „Erschaffung Adams“ (Lebensfunke zwischen Gott und Mensch) ist ein weltberühmtes und oft reproduziertes Werk. Er zeigt, wie Gottvater mit dem ausgestreckten Finger Adam zum Leben erweckt. Der zentrale Grat beseht aus neun waagrechten Bildfeldern unterschiedlicher Größe, die die Szenen aus dem Alten Testament darstellen, wobei immer drei Felder zusammengehören: Schöpfung, Adam und Eva sowie Noah. Ab der Erschaffung Evas wird die Darstellung monumentaler, auch die begleitenden Propheten und Sybillen werden expressiver. Diese narrativen Felder sind umgeben von Motiven aus der Bibel und der antiken Mythologie.

 

Die Astrologie kehrt an die Universitäten zurück – in Großbritannien startete 2011 ein neuer Studiengang „Kulturelle Astronomie und Astrologie“

1817 wurde der letzte Lehrstuhl für Astrologie an einer deutschen Universität abgeschafft. Das Sophia Centre an der Trinity Saint David Universität von Wales (Großbritannien) nahm den Masterstudiengang für Kulturelle Astronomie und Astrologie im Jahr 2011 neu in das Studienprogramm auf. Dieser postgraduierten Studiengang setzt einen Universitätsabschluss in relevanten Fächern voraus bzw. wird erwartet, einen vergleichbaren Stand auch ohne Abschluss mit einer schriftlichen Arbeit nachzuweisen. Das Masterprogramm untersucht die Wege, auf denen der Mensch sich mit dem Kosmos verbindet. Ansätze sind in Geschichte, Soziologie, Anthropologie und Philosophie zu finden, so die offizielle Webseite der Universität. Der Master ist als Fernlehrgang konzipiert, so dass man ihn auch ohne Präsenz vor Ort ablegen kann. Der Lehrgang wird von den renommierten Astrologen Liz Greene, Nick Campion und Bernadette Brady vom Center for Psychological Astrology (CPA) in London betreut. Den Auftakt für die Möglichkeit Astrologie zu studieren bildete eine Konferenz vom 8. bis 10.04.2011 in Zürich, auf der man sich genauer über den Studiengang informieren konnte.